Kurzes Klettersystem für große Bäume

Weite Distanzen überbrücken

Große Bäume mit ausladenden Ästen sind die Herausforderung beim Baumklettern. Die übliche Kurzsicherung mit 3 oder 4 Metern Länge kommt da schnell an ihre Grenze. Es gibt wie immer viele Lösungen, weitere Distanzen zu überbrücken, zum Beispiel Positionierung mittels Verwendung der Kurzsicherung am Einzelstrang oder Verwendung des losen Seilendes als zweites Sicherungssystem (» siehe Bild 1).

Ich bevorzuge ein unabhängiges zweites Klettersystem. Es besteht aus einem kurzen dynamischen Bergsportseil (10 Meter). Als Klemmknoten (Ocean Sling 8) verwende ich einen 5-fach gewickelten Distelknoten. Die beiden Endaugen des Klemmknotens lege ich zwischen die Wangen der Pinto Seilrolle und fixiere dies mit einem 3-Wege-Automatik-Karabiner. Die Pinto Seilrolle dient als Knotenlift. Nicht vergessen: An beide Enden des Bergsportseils binde ich je einen Doppelten Überhandknoten.

Kurzes, zweites Klettersystem: Aufgeräumt und einsatzbereit

Dieses kurze Klettersystem hängt lang – zusammen mit dem Wurfhaken Approach (Arborixx) – hinten an meinem Klettergurt in einem verriegelbaren Materialkarabiner Vault Lock. Verriegelbar deshalb, damit sich nichts versehentlich löst und herunterfällt – wer will schon absteigen oder ein kaputtes Dach.

Den Wurfhaken brauche ich, wenn die nächste Astgabel weit weg von mir ist. Der Wurfhaken Approach lässt sich schnell und einfach in das vordere Ende meines zweiten Seilsystems einbauen und mittels Doppeltem Überhandknoten am Rope Pin fixieren. Der Rope Pin, ein Stift am Wurfhaken, sorgt dafür, dass sich der Knoten auch nach starker Belastung immer leicht lösen lässt. Eine tolle Idee von Tim Schröder, dem Entwickler des Approach-Wurfhakens.

Kurzes Klettersystem im Einsatz: Mit Wurfhaken geht’s weiter

Das zweite Klettersystem hänge ich in den Ring der zweiten Seilbrücke meines Klettergurtes. Dadurch lässt sich das zweite Seilsystem unabhängiger, übersichtlicher und geschmeidiger nutzen. Mit der abgeschätzten Seillänge werfe ich den Wurfhaken in die anvisierte Astgabel des ausladenden Kronenteils (» siehe Bild 2).

Die Würfe gelingen am besten, wenn die Astgabel von einem höheren Niveau anvisiert wird. Ist der Wurfhaken sicher verankert, seile ich mich für den Wechsel in die Nachbarkrone so weit ab, bis ich etwa im 45°-Winkel mit Unterstützung der Fußsteigklemme zur neuen Astgabel hochklettern kann. Selbstverständlich solltest Du darauf achten, das erste Hauptklettersystem immer wieder nachzuspannen.

Drüben, am Wurfhaken-Ankerpunkt angekommen, wird erst einmal kurzgesichert. Sodann Wurfhaken ausbauen, Seilende um die Astgabel legen und durch den vorderen Steg der Pinto Seilrolle ziehen. Mit Doppeltem Überhandknoten sichern. Der Steg der Pinto ist als Sicherungsaufnahme zertifiziert. Fertig ist das zweite umlaufende Klettersystem. So lässt sich – im Dreieck fixiert – ein optimaler Standplatz sichern und mit Handsäge und zwei freien Händen arbeiten.

Die Unabhängigkeit des zweiten Klettersystems hat einige Vorteile. Es erspart das mühsame Hochholen des Seilendes und man kann sich drehen, ohne sich zu verknoten. Denn da die Seilenden unabhängig sind, hängt man das verdrehte Seilsystem einfach aus und neu optimiert ein, schon ist alles wieder geordnet. Außerdem bildet sich keine Seilbucht unterhalb der Arbeitsposition. Dort verhängen sich bevorzugt herabfallende Äste – Chaos vorprogrammiert. Nach getaner Arbeit an der neuen Position seilt man sich mit dem zweiten Klettersystem ab, bis man nahezu wieder im Lot des Hauptsystems hängt. Knoten hinter der Pinto lösen, Seil zurückziehen, Knoten wieder rein, Klettersystem zurück an den Gurt hängen, Einsatz des zweiten Klettersystems erledigt. Eine Seillänge von 10 Metern hat sich für mich in meinem Arbeitsalltag als optimal herausgestellt.

Klettersystem Grote nachbauen
Diverse Teile einer Kletterausrüstung
Wer das Klettersystem Grote für die eigene Paxis nachbauen möchte, findet wahrscheinlich viele Teile schon in seiner eigenen Kletterausrüstung. Fehlende Einzelteile, aber auch das ganze Set gibt es natürlich im Freeworker-Shop.


Punktgenaue Positionierung mit zweitem Klettersystem für ergonomisches Arbeiten

Im Vergleich zu einer normalen Kurzsicherung lässt sich aufgrund der zusätzlichen Seillänge in vielen Positionen nicht nur die zweite Sicherung sicherstellen. Mit dem zweiten System lässt es sich optimal in einem Kräftedreieck positionieren und ergonomisch sägen. (Achtung: Bei dem Einsatz einer Motorsäge ersetzt das vorgestellte zweite System nicht die Stahlhaltesicherung.) Vor allem dort, wo man zu weit von einem sicheren Standplatz hängt, erlaubt ein zweites Seilsystem, sich in diesem Raum punktgenau zu positionieren. Du hast vielleicht schon mal Stammaustriebe entfernen wollen und der Lotpunkt des Seils hing zu weit weg vom Stamm. Eine waagerechte Positionierung mit der Kurzsicherung vom einen seitlichen D-Ring zum anderen ist oft nicht so optimal. Mit dem zweiten kurzen Klettersystem lässt sich meist eine bessere Zugrichtung finden und auswählen, ohne die beiden störenden Seilstränge der Kurzsicherung vor sich zu haben.

Zweites Klettersystem als „entspannte“ Lösung – im wahrsten Sinne des Wortes

Das ist aber längst noch nicht alles. Beim Einsatz von Umlenkungen im umlaufenden Klettersystem hat mir oft die Möglichkeit der Längenverstellung gefehlt. Zum einen um die optimale Position für den gewünschten Seilverlauf einstellen zu können, zum anderen ist es besonders unbequem, das gespannte Hauptklettersystem mit der Umlenkung zu verbinden. Dies lässt sich mit dem kurzen Klettersystem „entspannter“ lösen – im wahrsten Sinne des Wortes. Dazu Doppelrolle in die gespannten Seilstränge des Hauptsystems einlegen und mittels Karabiner einfach in das als Umlenkung genutzte zweite lockere Klettersystem einhängen. Dieses anschließend kurzziehen und spannen. Entspannend oder nicht? Ich hintersichere zusätzlich den Distel Klemmknoten mit einem Slipknoten hinter der Pinto Rolle (» siehe Bild 3).

Kurzes Klettersystem als komfortable abziehbare Umlenkung

Oft wünschen wir uns eine abziehbare Umlenkung, um Kletterwege und Kraft zu sparen. Dafür gibt es inzwischen viele spannende Lösungen. Mit dem kurzen Klettersystem kommt eine hinzu. Dazu verwende ich den SnakeTail, der mehr Möglichkeiten bietet als eine Bandschlinge. Den SnakeTail lege ich um einen Ast und die doppelt genähten Seile führe ich als Bucht durch den Ring vom SnakeTail. Durch die Bucht führe ich das lose Seil des kurzen Klettersystems ebenfalls als große Bucht und ziehe die Konstruktion straff. Die ins Hauptsystem gelegte Doppelrolle wird nun im SnakeTail eingehängt Zum späteren Abziehen fehlt jetzt nur noch ein kleiner Karabiner über dem Stopperknoten des Seilendes des kurzen Seilsystems, das als große Bucht im SnakeTail eingebunden ist. Diesen in die letzte Schlaufe des SnakeTail und über den Stopperknoten ins Dynamikseil hängen. Das komplette kurze Seilsystem hängt frei nach unten (» siehe Bild 4).

Will man später die Bucht des kurzen Klettersystems aus der Bucht des SnakeTail befreien, positioniert man sich einfach in greifbarer Nähe des herabhängenden Seiles des kurzen Klettersystems, lockert sein Hauptsystem, wodurch die Klemmwirkung der Bucht aufgehoben wird. Durch Ziehen an diesem Seil zieht man die Bucht heraus und das System löst sich wie von Geisterhand aus der Gabel und bringt es über die Doppelrolle am Hauptseil direkt und bequem zu mir zurück. Voilà!

Zweites Klettersystem als dynamische Hintersicherung von kritischen Ankerpunkten

Mit diesem kurzen, dynamischen Klettersystem lassen sich auch Ankerpunkte sichern, eine Technik aus der Saatguternte. Beim Zapfenpflücken ist die Verlockung besonders groß, Ankerpunkte zu wählen, die besonders hoch sind, da wo die Astquerschnitte immer dünner werden. Nicht immer sind wir uns absolut sicher, ob der Ankerpunkt stabil genug ist. Ein hoch ausgewählter Ankerpunk gibt uns den Vorteil einer steilen Seilführung beim Rausklettern auf weit ausladenden Ästen und damit sichereren Halt. Außerdem spart es Kraft. Sicherheit bringt hier das kurze zweite dynamische Klettersystem. Mit diesem hintersichere ich meinen Ankerpunkt. Dafür nehme ich die freie Seilseite (hinter dem Klemmknotensystem) und binde sie mit einem Laufenden Palstek in die Astgabel (oberer Ankerpunkt) und den Kambiumschoner mit ein (» siehe Bild 5).

Weiter unterhalb meines Kambiumschoners, im stärkeren Holz, lege ich den SnakeTail gewürgt um den Ast oder Stamm (unterer Ankerpunkt). Das herabhängende, kurze Klettersystem binde ich mit Schmetterlingsknoten mit einem 3-Wege-Automatik-Karabiner in eines der abgenähten Augendes SnakeTail (» siehe Bild 6). Über die Verbindung meines Kambiumschoners zum SnakeTail habe ich somit meinen oberen Ankerpunkt hintersichert. Bricht dieser aus, wird so ein Absturz verhindert bzw. der Sturz vom unteren Ankerpunkt aufgefangen. Hier kommt der Vorteil des dynamischen Bergsportseils und die Verwendung des SnakeTail zum Tragen. Das verwendete dynamische Seil dehnt sich und beim SnakeTail wirkt die aufreißende Naht fangstoßdämpfend. Beide Komponenten reduzieren die Verletzungsgefahr. Und denkt bei der Verwendung meines Systems immer daran, dass beide Seilenden mit einem Doppelten Überhandknoten versehen sind.

Neugierig geworden? Probier es einfach mal aus, vielleicht wird mein Set-up eines kurzen, dynamischen, zweiten Klettersystems auch zu Deinem Favoriten in den Kronen mächtiger und stolzer Bäume. Du kannst mir gerne über Deine Erfahrungen berichten. Ich würde mich sehr über ein Feedback per E-Mail freuen!

Dieser Text ist erschienen als Artikel im Kletterblatt.

˄

baumrausch Baumpflege

Alexander Grote • Heckenbecker Worth 9 • 37581 Bad Gandersheim

mobil (0151) 23010418 • Festnetz (05563) 9605622‬

a.grote[at]baumrausch-baumpflege.de

ImpressumDatenschutz

© 2023